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  • AutorenbildBirgit Wichmann

Sie wollen also ein Buch schreiben und AutorIn werden?

Ich weiß es noch genau. Es war 2013, als ich einen Link bekam, um ein Gedicht für einen Wettbewerb einzusenden. Es gewann und ich glaubte an einen Irrtum. Der Einzige, der an mich glaubte, war damals mein Chef. Er gratulierte und behandelte mich, als wäre ich jemand. Doch realistisch betrachtet war ich ein niemand, nur eine graue Maus in einem Büro. Doch wissen wollte ich es schon. War ich tatsächlich eine Autorin? Also habe ich mich ins Zeug gelegt und auf Teufel komm raus geschrieben. Eine Germanistikerin lektorierte meine Bücher und gab mir wertvolle Tipps. Es machte eine Menge Spaß, aber Geld verdiente ich damit nicht. Ein schönes Hobby.


Andere forderten mich auf, mehr zu tun, Werbung zu machen und mich zu vermarkten oder vermarkten zu lassen. Ich wollte das gar nicht. Schreiben, das wollte ich. Schließlich war ich kein aufstrebender Debütautor. War für niemanden ein Begriff und trotzdem wurde ich behandelt wie ein Buchautor. Mein Chef stellte mir sogar ein ganzes Casino für eine Lesung in Wien zur Verfügung. Was ich damals nicht erkannte, war, dass ich mir Zugang zu einer Welt verschafft hatte, die im Laufe der Jahre immer mehr verschwinden würde. Heute ist es nicht mehr wichtig, ein guter Autor zu sein. Nein, heute ist das Marketing viel wichtiger. Ich vermisse mein altes Autorenleben aus 2013.


Als Autorin die eigene Marketingabteilung

Mein heutiges Leben als Buchautorin ist von sehr viel Unpersönlichkeit geprägt. Ich kenne weder meine Leser noch meine Buchblogger oder Promoter persönlich. Selbst meine Lektorin sitzt im Laptop. Und der Änderungen und Hinweise gibt es wenig. Also auch Null-Lerneffekt für mich. Häufig finde ich selbst Dinge, die ich besser machen könnte. Ich glaube, dass die Lektoren von heute weniger Erfahrung haben als die früheren. Es gibt niedrigere Standards und gelobt wird man schon, wenn das Manuskript früher eingereicht wird. Kommentare, die weiterhelfen, bekomme ich meist von Lesern. Nicht einmal von Buchbloggern.


Häufig werde ich gefragt, warum ich von der Projektidee über das Schreiben bis hin zum Cover, Klappentext und Buchveröffentlichung alles selbst mache. Die Antwort ist ganz einfach. Früher haben die Lektoren den Klappentext und die Buchbeschreibung geschrieben. Das war logisch, denn sie kennen ja auch den Inhalt. Heute bekommt man sie nicht mehr. Also recherchiere ich selbst unzählige Stunden lang preisgekrönte Buchumschläge zu meinen Themen, probiere Schriftarten aus und suche Bilder und Zeichnungen. Und das Cover? Ich habe gelernt, dass externe Coverdesigner das Buch, für das sie ein Cover erstellen sollen, nicht lesen wollen. Zu vielen meiner Themen wurde mir gesagt: „Zu Ihren Vorstellungen fällt mir nichts ein.“ Nachdem ich kein Null-Acht-Fünfzehn-Cover will, mache ich sie nun selbst.


Die Titel meiner Bücher überlasse ich jedoch niemanden. Das Ruder behalte ich fest in der Hand. Diese ganze zusätzliche Arbeit ist Teil meines Schreibprozesses und mit dem bin ich verbunden. Doch das Autorenleben beinhaltet noch so viel mehr. Für alle die, die tatsächlich glauben, ich wäre als vierfach preisgekrönte und mehrfache Bestsellerautorin eine umworbene und gut behütete Frau, die hochgeschätzte Autorin, die in der brillanten Welt der Bücher aufblüht, muss ich enttäuschen. Nein, bin ich nicht. Allerdings gibt es inzwischen Anfragen von Literaturagenten. Immerhin und das als Selfpublisherin.


Blogger, Blogs und Gefälligkeiten

Welche Verantwortungen trage ich als AutorIn damit ich eine kleine Chance auf Erfolg habe? Das ist kein Jammern, eher Realität. Vielleicht ein klein bisschen doch. Ich bin mir des Privilegs meines Autorendaseins durchaus bewusst. Ich übe aber ein Handwerk aus, dass eine tägliche, unerbittliche Selbstvermarktung bedeutet.


Ist das Buch fertig und das endgültige Cover steht, beginnt der Prozess der Vermarktung. Die Spannung muss gesteigert werden, also werden Einzelheiten bereits vor der Veröffentlichung enthüllt. Bei Sachbüchern muss die eigene Expertise nachgewiesen werden. Aber was soll ich sagen, keine meiner Posts, Reels, Storys und Beiträge hat je dazu beigetragen, dass ich mich weiterentwickeln konnte. Ich tu das lediglich deshalb, damit ich denjenigen, die sich für meine Bücher interessieren, die neuesten Informationen zur Verfügung stellen kann.


Auf all meinen Social-Media-Kanälen (Facebook, Instagram, Website) bemühe ich mich, meine Integrität zu bewahren. Werbebeiträge schreibe ich zwar regelmäßig, aber die brauchen sehr viel Zeit und die habe ich nicht, wenn ich weiter Qualitätsarbeit bieten will. Darüber hinaus muss man ständig versuchen herauszufinden, wie man das visuelle Publikum anspricht, damit auch gekauft wird. So überhaupt nicht mein Ding. Aber das ist der Sog der sozialen Medien. Deshalb poste ich. Eine Menge, meistens buchbezogen. Posts voller Demut versuche ich zu vermeiden, obwohl sie gerade in den sozialen Medien allgegenwärtig sind. Sie wissen schon, wie dankbar ich für eine glühende Rezension bin oder ein Lob über die ausgezeichnete Buchvorstellung durch einen Buchblogger. Es gibt zu wenig gute Buchblogger. Und während ich auf all meinen Kanälen unterwegs bin, muss ich noch auf so Details achten wie Hashtags, SEO, Follower, Optik, Absprungrate, Seitenaufrufe und Geräteaufteilung. Nur leider funktioniere ich nicht ohne diese Social-Media-Kanäle, die nun mal Teil einer Buchveröffentlichung sind. Deshalb pflege ich sie persönlich. Liegen mir die Funktionen der Social-Media-Kanäle? Inzwischen schon. Fressen die Aktivitäten dort, meine Zeit für das Schreiben auf? Ja.


Mein Launch-Team besteht aus Freunden, Unterstützern und Followern in den sozialen Medien. Genau an die muss ich mich wenden, um die Werbetrommel zu rühren. Der Möglichkeiten gibt es da viele:

  • Vorbestellungen sammeln

  • um Rezensionen bitten

  • Testleser anschreiben

  • die Beiträge liken

  • eigene Beiträge über mein Buch verfassen

  • in Buchgruppen die Bücher anpreisen wie Sauerbier

  • Interviews organisieren und geben.

Das kostet Zeit und Zeit ist genau das, was ich nicht habe. Viel lieber würde ich am Entwurf für mein neues Buch feilen. Ich würde mich lieber in die Recherche stürzen und mein Leben als Autorin leben statt als Selbstdarstellerin zu fungieren. Damit ich mein privilegiertes Leben als Autorin leben kann, muss ich aber, wie viele andere auch, den Großteil meiner Zeit damit verbringen, mein Handwerk nicht auszuüben. Außerdem verdiene ich, wie wahrscheinlich 99 Prozent aller Autoren meinen Lebensunterhalt nicht mit meinen Büchern. Mein Einkommen wird daher durch Auftragsarbeiten aufgebessert.


Genau das ist die Realität von allen, die nicht berühmt sind oder Influencer. Die, die keine Massen an Followern haben und nicht mit jedem Gedanken viral gehen. Wir, die versuchen, wichtige und nachdenkliche Geschichten zu erzählen, die zu komplex sind, um in eine Zeitung zu passen. Der Traum vom Leben als Schriftstellerin ist irgendwie verschwunden.




Der Erfolg vieler Werke erklärt sich aus der Beziehung, die zwischen der Mittelmäßigkeit des Autors und der Mittelmäßigkeit des Publikums besteht.
Chamfort

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